Am nächsten Morgen verließ sie die Hütte und ging bis zu dem Bergabhang, wo sie an eine Behausung anklopfte. Ein alter Mann mit strengen Gesichtszügen und hässlichem Gesicht öffnete ihr. Er trug einen schwarzen Mantel und hatte einen breitkrempigen Hut auf dem Kopf. Die Königstochter bat ihn, hier über Nacht bleiben zu dürfen. Er antwortete aber, dem Mann, der ihr Obdach gewähre, käme gewiss wenig Nutzen zu. Sie bat ihn jedoch inständig, sie schenkte ihm darüber hinaus eine große Menge von dem Gold, und da wurde er freundlicher und forderte sie auf, einzutreten.
Drinnen saß eine Frau auf einer Bank. In ihrem Schoß lag ein Wickelkind, während zwei andere Kinder am Boden spielten. Die Frau war sehr gesprächig, hieß die Eintretende sich hinzusetzen und sich wohl zu fühlen. Die Kinder waren sehr schön anzusehen.
Voller Kummer erzählte die Frau, der Knabe, den sie auf dem Schoss trage, habe den grauen Star, und sie wissen keine Hilfe. Die Königstochter meinte, das sei ein großer Schade für ein so hübsches Kind. So redeten sie noch eine Weile, bis die Frau aufstand und ein Nachtlager bereitete.
Als die Königstochter mit den Kindern allein war, kam ihr der Gedanke, ob nicht vielleicht ihre Träne, die sie in dem Tuch bewahrte, die Eigenschaft habe, von anderen Menschen eine Augenkrankheit beseitigen zu können. Sie löste den Knoten des Tuchs auf, strich den Zipfel über das Auge des Kindes, und sogleich war der Star verschwunden.
Als die Frau wieder zurückkam und sah, sich ereignet hatte, wurde sie sehr glücklich und dankte der Königstochter überschwenglich für ihre Tat. Die Königstochter blieb über Nacht und erzählte dabei ihre ganze Lebens- und Leidensgeschichte. Auch der Alte wurde dabei ganz sanft und sagte, ihre Sorgen gingen ihm sehr zu Herzen, aber er sehr kaum Äderung, denn am nächsten Tag würde der Königssohn mit der Tochter der Stiefmutter Hochzeit halten. Der Weg dahin aber sei lang und führe um ein zu spät. Es gebe zwar einen kürzeren Weg über das Gebirge, auf dem käme man an einem Tag dorthin; aber der sei kaum gangbar wegen der Zauberei der Königin, die ihre Ankunft zu verzögern trachte. Er wolle es aber versuchen, ihr zu helfen, damit sie auf dem kürzesten Weg über das Gebirge käme.