„Solltest du deine Tränen aber nicht zurückhalten lassen, so gebe ich dir dieses Tuch. Darin weine, wenn du weinen musst.“
Die Königstochter gebar ein sehr schönes Mädchen, sie wusch es, wickelte und streichelte es und legte es dann ins Bett. Während sie noch über das Kind gebeugt war, zog ein Schatten am Fenster des Hauses vorüber, und in demselben Augenblick kam ein Geier in das Zimmer geflogen, nahm das Neugeborene in seine Klauen und flog davon.
Dieser Verlust ging der Königstochter wohl sehr zu Herzen, aber sie weinte nicht. Da kam der Hund zu ihr hinein und war sehr freundlich. Er gab ihr einen goldenen Kamm und sagte, dass sie ihn als Belohnung für ihre Standhaftigkeit haben sollte.
Wieder verstrich die Zeit. Da erzählte ihr der Hund einmal, dass jetzt ein Königssohn zu ihrem Vater gekommen sei und um ihre älteste Schwester angehalten habe. Die Hochzeit stünde bald bevor. Er wollte auch wissen, ob sie dieser Hochzeit beiwohnen möchte, und sie bejahte. Er trug sie deshalb ein Stück weit und zeigte ihr den Weg zur Königshalle. Zugleich gab er ihr zwei schöne Frauenkleider mit, das eine sollte ihre Schwester tragen, damit sie schön sei an ihrem Hochzeitstag. Das andere sollte ihr selbst gehören. Beim Abschied bat er sie noch, nichts von ihrem Schicksal und den Lebensverhältnissen zu erzählen, nicht länger als drei Tage auszubleiben und nach Verlauf dieser Zeit wieder zum Hügel zurückzukommen.
Die Königstochter kam heim und wurde mit großem Jubel empfangen. Sie wohnte der Hochzeit als Ehrengast bei, nachdem sie ihr das schöne Kleid anprobiert hatte, das große Bewunderung erregte. Von ihrem Schicksal wollte sie durchaus nichts erzählen, so sehr sie auch darüber befragt wurde. Sie sagte nur, es gehe ihr gut. Am dritten Tag kehrte sie wieder zum Hügel zurück, wo der Hund schon wartete und sie in das Haus zurücktrug, wo sie mit ihm lebte.
Sie wurde zum zweiten Mal schwanger. Da sagte der Braune wieder, dass ihr das Kind weggenommen werden würde. „Behalte das geschenkte Tuch bei dir, denn der Verlust des zweiten Kindes wird dir noch viel mehr zu Herzen gehen, als der des Erstgeborenen“, sagte er.