Bevor sie sich anderntags auf den Weg machte, gab er ihr einen Stock, der am unteren Ende mit einer Eisenspitze versehen war, damit sie sicher den steilen weg hinaufschreiten konnte, der ausserdem so glatt wie ein Spiegel war. Er wickelte auch ein Tuch um ihren Kopf, damit sie von den Wundern, die ihr in der Folge der Zauberei begegnen würden, nichts hören und verwirrt werden könne.
„Sieh niemals zurück’’, sagte er außerdem. „Kommst du auf die andere Seite des Gebirges, so kannst du bei einem Freund einkehren, der dich bis zur Königsburg führen wird. Ich will Sorge tragen, dass die Königin dich nicht erkennt.“
„Ich danke dir. Eines Tages werde ich es lohnen können“, sagte sie zum Abschied.
Sie ging nun und sah nicht zurück. Von dem schrecklichen Geheul, das sie hörte, ließ sie sich nicht beirren. Dabei leistete ihr das Tuch die besten Dienste. Abends kam sie zu der Hütte, die hübsch und sauber war. Freundlich wurde sie aufgenommen und beherbergt. Sie bat den Mann, sie zu begleiten. Das sei eine ganz leichte Sache, meinte er, denn er gehe selbst dahin, um der Hochzeit des Königssohns beizuwohnen.
Als sie in die Halle des Königs kamen, gab es hier viel Pracht und Herrlichkeit aus Anlass der Hochzeit. Die Königstochter ging zur Tür und sah den König und die Königin auf dem einen, den Königssohn mit der Tochter seiner Stiefmutter auf dem anderen Ehrenplatz sitzen. Alle zeigten fröhliche Mienen, nur nicht der Königssohn, auf dessen Gesicht man den Kummer lesen konnte.
Niemand erkannte die Königstochter, nicht einmal der Königssohn selbst. Sie stand dort den ganzen Tag und sah den Festlichkeiten zu, bis das Brautpaar in die Schlafkammer geführt wurde. Da bemächtgte sich ihrer der große Kummer, und sie wollte schon verzweifeln, als ihr der Gedanke kam, dass sie vielleicht niemals von ihren Kleinodien besseren Gebrauch machen könnte als gerade jetzt. Es war ein heller Mondscheinabend, und sie ging zum Fenster der Schlafkammer des Brautpaares und begann hier, sich mit dem goldenen Kamm das Haar zu kämmen.